Die Frankfurter Anthologie ist ein am 15. Juni 1974 von Marcel Reich-Ranicki ins Leben gerufenes Projekt, bei dem jeden Samstag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein deutsches Gedicht zusammen mit einem Kommentar eines Lyrikkenners abgedruckt wird. Seit 1998 wird jährlich der mit 10.000 Euro dotierte Preis der Frankfurter Anthologie an einen ihrer Interpreten verliehen.
Zu diesem Anlass waren die Schüler der Deutsch-LKs der 13. Klasse unserer Schule in das Foyer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eingeladen. Drei Schüler nahmen die Gelegenheit wahr, gemeinsam mit Frau Battenberg und Herrn Dr. Henne dieser Veranstaltung beizuwohnen.
In der Eröffnungsrede berichtete der Chefredakteur Frank Schirrmacher über die Geschichte der Frankfurter Anthologie. Dabei drückte er anerkennend sein Erstaunen darüber aus, dass ein solches Projekt, dessen unmittelbare Verwertbarkeit aufgrund der nicht vorhandenen Aktualität (Gedichte aus mehreren hundert Jahren) nicht gegeben sei, so lange überlebt habe.
In der darauffolgenden Laudatio von „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki erzählte dieser, wie er den diesjährigen Preisträger Ulrich Weinzierl als jungen Mann kennengelernt habe.
Weinzierl sei ein „Autor von ungewöhnlicher Feinfühligkeit und Vielseitigkeit, ein Journalist und Wissenschaftler, ein Kritiker und Feuilletonist, ein Essayist und Reporter, ein Philologe und auch noch ein subtiler Humorist“, hieß es in dessen Begründung für die Preisvergabe.
Auf die formelle Übergabe des Preises durch Marcel Reich-Ranicki folgte eine Dankesrede Weinzierls, in der er den Verfall des Kulturjournalismus in Zeiten des Internets und der systematischen Volksverdummung beklagte. Doch obwohl der Tenor der Rede durchaus ernst war, lockerte der von Reich-Rancki bereits erwähnte subtile Humor das Ganze ein wenig auf.
Zum krönenden Abschluss des Abends trug ein bebrillter Mann mit fahlblondem Haar und Lederjacke einige Gedichte, vor allem Sonette, unter der Überschrift "Nimm den Langen Weg nach Haus" vor. Dass dieser Dirk von Petersdorff, sein Name stand in der Einladung, seines Zeichens Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Professor für Neue Deutsche Literatur an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena ist und die Gedichte auch noch selbst verfasst hatte, fiel manch einem erst ein wenig später auf.
Auf den Abend zurückblickend können nun also mindestens drei Schüler des HvGGs von sich behaupten: "Ich habe Marcel Reich-Ranicki live gesehen!"