Reisetagebuch - Ein Gemeinschaftsartikel der Orchestermitglieder
Freitag, 25.6. 2010
00:00 Uhr: Tief in dunkelster Nacht treffen sich 34 Gestalten, darunter bisher Frau Wenckebach und Herr Dr. Schmidt, mit merkwürdig geformten Koffern vor den Pforten unserer Lehranstalt und warten. Kurze Zeit später stößt auch Herr Bartel zu der Gruppe und der Bus kann sich in Richtung Norden in Bewegung setzen.
5.30 Uhr, irgendwo auf einer Raststätte zwischen Frankfurt und Cuxhaven. Wer bisher mehr als eine Stunde Schlaf bekommen hat, ist noch einer der Glücklichen. Dennoch steht gut das halbe Orchester bestens gelaunt neben dem eher schlecht gelaunten Busfahrer, der verzweifelt versucht, einen platten Reifen mit geliehenem Werkzeug unter den kundigen Augen der Orchestermitglieder auszuwechseln. Er hat eine Stimme wie ein Reibeisen- Raucherlunge! Obwohl das Werkzeug eher aussieht wie ein Brecheisen, schafft er es, den Reifen abzumontieren, ehe der ADAC auftaucht.
8:30 Uhr: Trotz der Panne sind wir zwei Stunden vor Abfahrt der Fähre in Cuxhaven, wo teilweise zum Frühstück, mangels breiten Angebots, die ersten Fischbrötchen gegessen werden (dabei gibt es einen Verlust eines Drittelbrötchens, weil Christina anschlagsmäßig von einer Möwe angegriffen wird, die auf ihrem Kopf landen wollte), während einigen schon bei dem Gedanken schlecht wird. Dann: Die Besatzung der „Atlantis“ verlädt unter kritischen Blicken die Instrumente. Ob denn im
Kontrabasskasten Bockflöten steckten...
Auf der eher unspektakulären Überfahrt, die überraschenderweise ohne jegliche Anfälle von Seekrankheit verläuft, nutzen einige die Gelegenheit, etwas Schlaf nachzuholen oder genießen die frische Seeluft.
Die empfindlicheren Mägen werden dann noch einmal beim helgolandspezifischen Ausbooten (dabei wird man von den Pranken der Seebären gepackt und auf die neben der Fähre her tuckernden Boote gehievt) strapaziert, aber auch diesmal bleibt alles da, wo es sein sollte.
Sicher auf der Insel angekommen, klappen bereits die ersten Unterkiefer angesichts der billigen, weil steuerfreien Genussmittel (Alkohol, Tabak, Süßigkeiten) gen Boden. Von übereilten Einkäufen wird trotz oder gerade aufgrund der übergroßen Auswahl und der Anwesenheit der Betreuer abgesehen.
Nach nur 1200 m erreichen wir nach unserem Gepäck die Jugendherberge. Dann: ein weiteres Fischbrötchen zum Mittagessen und ein von Herrn Bartel fachkundig geführter Inselrundgang. Neben Trottellummen, Basstölpeln und Schafen sind auch (geschätzt) Milliarden von Möwen anwesend, die uns auf unserer Wanderung begleiten.
Abends bei der Probe in der James-Krüss-Schule strahlen dem Tierarzt der Insel Dr. Holtemöller (im Fast-Ruhestand und Ermöglicher unserer Fahrt), ehemaliger Schüler des HvGG, die glänzenden, von der Sonne geröteten Gesichter entgegen.
Ach ja, und man vergesse auch nicht das Abendessen…
Samstag, 26.6.2010
Morgens Probe und: Frau Battenberg stößt zu uns (später, weil gestern noch beim Sponsorenlauf der SV).
19:00 Uhr: Konzert in der Schule. Bei „Peter und der Wolf“ geht „eigentlich“ nichts schief und die Kinder bestaunen begeistert den roten Papp-Wolf, obwohl „grau“ auf seinem Körper steht.
Auch die gekonnte theatralische Lesung von Victoria und Theresa macht mächtig Eindruck. Die musikalische Untermalung ist so gut wie fehlerfrei und kommt gut an.
Am meisten beeindruckt sind vor allem die Großeltern, die großes Entsetzen über die Grausamkeit des bösen Wolfes und viel Empathie für die arme Ente zeigen. Dass dabei die Ente den Vogel dafür auslacht, dass dieser nicht fliegen kann, während der Vogel sich über die gerade ins Wasser steigende Ente lustig macht, dass diese nicht schwimmen kann, fällt zum Glück nicht weiter auf.
Auf vielfachen Wunsch des tüchtigen Schulhausmeisters geben wir noch einen erweiterten Eindruck in das Kurkonzertrepertoire und spielen für seinen kleinen Sohn das „Star Wars“ - Arrangement. Trotz einiger Konkurrenzveranstaltungen (Sommerfest auf der Düne, Fußballspiel der Borussia Mönchengladbach, Flieger-Grillfest etc.) ist unser „Peter und der Wolf“-Konzert ein voller Erfolg.
Nicht zu vergessen dabei die großartige Werbung des „Star-Wars“-Hausmeisters, der kurzentschlossen die Kinder auf dem Schulhof ihrem Karatetraining abtrünnig macht und sie stattdessen zu unserem Konzert schleust.
Nicht zu vergessen auch: Hong Anh verliert heute gegen einen 14-Jährigen im Billard. Sehr deprimierend. Aber trotzdem ist sie moralisch nicht ganz am Boden zerstört, weil Cordula sie gekonnt coacht. Die nicht gebuchte Vollpension versetzt uns in einen kurzfristigen Schock, wir sind aber nicht ganz am Boden zerstört, weil wir mit 100,- Euro in die Stadt geschickt werden, um zu essen.
Sonntag, 27.6.2010
Morgens um acht tanzen tatsächlich alle zum Frühstück an, und sei es nur, um sich ihre Lunchpakete zu machen (Brote, keine Brötchen!). Highlight im reichhaltigen Angebot ist dabei der „Durstlöscher“ mit ultimativen 15 % Fruchtgehalt! Nebenbei lernen wir noch von Hong Anh, wie man Brötchen im 45°-Winkel an der höheren Seite (dabei ziehen, nicht drücken!) anschneidet, es im 90°-Winkel perfekt mit Butter beschmiert und anschließend den Belag nach spezieller Falttechnik so hineinlegt, dass es den glücklichen Konsumenten (in diesem Falle Freddi) lecker anlacht.
Danach geht es auf zur Kirche; in der „das Sinfonieorchester des renommierten Gymnasiums Gagern aus Frankfurt“ (Zitat der Pfarrerin) den Gottesdienst mit dem Pachelbelkanon, dem Engelsterzett von Mendelssohn und einer Kirchensonate von Mozart verschönern wird.
Mittags geht es dann auf zur Düne, der Badeinsel neben Helgoland, und wir verbringen einen schönen Nachmittag dort mit einer Robbe im eiskalten Wasser (13°C) bzw. mit Volleyball und dem magischen Dreieck am Strand.
Pünktlich zum Anpfiff des Deutschlandspiels um 4 Uhr sind die meisten jedoch schon wieder zurück.
Der grandiose Sieg der deutschen Mannschaft wird angemessen gefeiert, obwohl ein Engländer des Orchesters etwas enttäuscht ist.
Nach dem Abendessen machen wir uns in einer großen Kolonne auf den Weg zum Pavillon, wo wir für die Bevölkerung und Gäste Helgolands unser Können preisgeben. Leider kann Frederik mit seinem Kontrabass nicht mitspielen,
da der Steg nicht mehr hält. Freddi wird als Fotograf, der vor der Strandmuschel aufgestellte Kontrabass als Spendenmotivation eingesetzt. Dadurch, dass das Konzert draußen stattfindet, können die Zuschauer auch erst im Laufe des Abends dazu kommen, ohne jemanden zu stören. Spontan spielen wir noch eine weitere Zugabe und lassen somit das Konzert gemütlich ausklingen. Den Rest des Abends verbringen wir auf unterschiedliche Weisen, teils am Strand, auf der Klippe oder einfach nur im Foyer der Jugendherberge schwätzend und gehen sehr viel später als sonst ins Bett….
Montag, 28.6.2010
Aufgrund des letzten Abends fällt das Aufstehen an diesem Morgen doch etwas schwer, aber um 9:30 sind schließlich doch alle Zimmer geräumt. Der
Vormittag steht zur freien Verfügung, was der Großteil dazu nutzt, noch einmal zur Düne zum Baden zu fahren. Zurück auf der Insel werden die letzten Souvenirs gekauft - hauptsächlich kiloweise Duty-Free-Süßigkeiten - und das letzte Fischbrötchen gegessen, dann müssen wir auch schon zum Hafen, wo diesmal ein Katamaran – ohne „Einbooten“ - auf uns wartet. Schneller als gedacht kommen wir nach einer im Vergleich zur Hinfahrt nicht ganz so anstrengenden Fahrt und ohne Reifenpanne in Frankfurt an.