Am Samstag, 6.11.2010, trafen sich etwa 25 von 63 Ehemaligen des Abiturjahrgangs 1970, um ihr 40jähriges Jubiläum in der Aula zu feiern.
Winfried Hofmann-Jarczyk hatte im Vorjahr das Abitur seines Sohnes Juri Jarczyk am HvGG gefeiert. Seine eigene Abiturfeier war damals vor 39 Jahren in den Schülerunruhen untergegangen; sie hatten sich ihr Abiturzeugnis im Sekretariat abgeholt oder bekamen es mit der Post zugeschickt. Jetzt stand sein Entschluß fest, er organisiert ein Treffen. Rainer Gunkel war mit von der Partie, stellte Bilder, seinen Wegscheidefilm mit den Herren Plahs und Westphäling und seine Sammlung an Flugblättern aus den stürmischen Zeiten, inzwischen digitalisiert und auf einem „Stick“ transportierbar, zur Verfügung. Das weltweite Netz mit seinen Suchmöglichkeiten war eine große Hilfe die über vier Jahrzehnte vernachlässigten Verbindungen wieder aufzunehmen.
Der Schulleiter Thomas Mausbach, damals 1970 Stufensprecher der ersten verkursten Unterprima, stellte sich ebenso nicht quer, sondern ließ es sich nicht nehmen, an seinem dienstfreien Samstag die von Sehnsucht und Neugier erfüllten Ehemaligen in der Aula zu begrüßen und ihnen von den Veränderungen der Schulsituation in den letzten vier Jahrzehnten zu berichten. In Vertretung für das damalige Lehrerkollegium waren gekommen: Brigitta Göring, in der damaligen politisierten Schülerschaft „Edda“ genannt, und Timm Kaiser, der den meisten unbekannt war und für einen Mitschüler gehalten wurde, obgleich er seit 1968 Mathematik und Physik am HvGG unterrichtete und die ganze OIa bei ihm im Abitur Mathematik schreiben mußte.
Von den heutigen Lehrern war Frau Winter-Stein an ihrem freien Samstag gekommen und hatte Stellwände mit Bildern und Zeitdokumenten von 1968 bis 1970 im Eingangsbereich aufgestellt. Frau Doris Morawe, aus Freiburg für diesen Tag erwartungsvoll angereist, drückte für die gekommenen Gäste ihre Freude ob des Wiedersehens mit der Schule aus. Herr Kaiser vom Verein der Ehemaligen und Freunde übermittelte die Grüße des damaligen Schulleiters Dr. Helmuth Fleckenstein und schilderte die Entwicklung des Vereins in einem kurzen Überblick.
Anschließend wurde eine kleine Abiturfeier zelebriert: Jeder Ehemalige erhielt aus der Hand des Schulleiters eine persönliche Urkunde und von
Herrn Kaiser das aktuelle Vereinsblatt Nr. 93 sowie den Jahresbericht 2006/2007, auf daß jeder sich anhand dieser Lektüre über die räumlichen Erweiterungen des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums und die 100jährige Geschichte des Vereins informieren kann.
Herr Hofmann-Jarczyk und sein Sohn Juri boten einen kleinen Imbiß und Getränke an.
Doch vor allem war großer Hunger auf das Gespräch mit den vielen – lange nicht gesehenen – Mitschülern. Es war fast wie vor 40 Jahren, lebhaftes Diskutieren, Erzählen und Erinnern, auch wenn manch einer es ganz anders gesehen hatte und sah. Viele Fragen gab es nach dem „Wie geht es diesem und jenem?“ Die Zeit, fast drei Stunden, verging im Fluge und der nächste Termin nahte: „Das Schülercafé“ von nebenan, wo manche Demo und Aktion ausgeheckt worden war.
Dahin gingen sie aber allein wie gewohnt aus den Jahren 1968-1970 – ohne Frau Göring, ihren ehemaligen Mitschüler (aus der Klasse darunter) Mausbach und Herrn Kaiser. Die Vorführung des Wegscheidefilmes, das Klassenfoto, das Besichtigen des heutigen Schulgeländes waren vergessen – fast wie vor 40 Jahren als man täglich hitzig diskutierte. Themen für das nächste Treffen sind also schon genug vorhanden.
Am selben Abend traf sich Herr Dr. Sauer mit zehn von zwanzig ehemaligen Schülern der OIa des Abiturjahrgangs 1969 in der Weinstube im Römer.
Eine Woche später, am 13.11.2010, trafen sich 32 von 59 Ehemaligen des Abiturjahrgangs 1980 zu ihrem 30jährigen Jubiläum. Birgit Wedekind und
Dr. Vera Bloemer hatten die Initiative bereits vor einem Jahr ergriffen und das Treffen organisiert. Dieses Mal war es dem Schulleiter nicht möglich zu kommen, aber er hatte Vertretung organisiert: Frau Winter-Stein und Herr Kaiser. Das Wiedersehen war bewegend: von Chicago, Berlin, Hamburg bis Tübingen waren sie gekommen, um ein Wochenende gemeinsam zu verbringen, auch Verwandte zu besuchen, Weihnachtsgeschenke einzukaufen, Äpfelwein zu trinken sowie Grüne Soße zu essen. Ihre ehemaligen Lehrer vermißten sie. Herr Kaiser versuchte, die vielen Fragen nach ihnen, so gut wie es ihm möglich war, zu beantworten.
Bilder von 1980 in der Eingangshalle, Begrüßung in der Aula, eine kurze Rückschau auf dreißig Jahre Schule und Verein, die Ausgabe einer kleinen Jubiläumsurkunde, eines Jahresberichts der Schule und eines aktuellen Vereinsblatts für jeden Ehemaligen, die Aufnahme eines „Klassenfotos“ und eine Führung durch die Musik-, Physikräume, die Turnhallen, die Cafeteria und die Arbeitsbibliothek stellten die Programmpunkte für zwei vollgepackte Stunden dar.
Der Jahrgang bedankte sich sehr artig mit Blumen bei Frau Winter-Stein und mit einem mathematischen Becher bei Herrn Kaiser.
In der Gaststätte „Knossos“ am Merianplatz wurde das Treffen, fast ohne Zeitbegrenzung, fortgesetzt, aber das ist eine neue Geschichte.
Timm Kaiser
40 Jahre… und (k)ein bißchen weise(r).Wiedersehen nach 40 Jahren:
Ein sehr persönlicher Bericht
Als ich dazu „verdonnert“ wurde, über unser Klassentreffen des Abiturjahrgangs 1970 zu berichten, kam mir sofort mein erster Deutschlehrer Dr. Krebs in den Sinn, der so oft am Ende der Schulstunde von uns verlangt hatte: Schreiben Sie bis zum nächsten Mal ein Essay! Über das Thema, er überlegte einen Moment: „Sollen sich Frauen schminken?“. Wahrhaftig ein Thema, mit dem sich ein 12jähriger gerne und tiefschürfend beschäftigt…
Nun denn, wagen wir den „Versuch“.
Man mag über das weltweite Netz philosophieren, wie man will: ohne diese modernen Medien bzw. Kommunikations-Vehikel wie stayfriends, facebook, google etc. hätten wir, 23 Ehemalige der Klassen OI a-c, so nicht zusammengefunden.
Und dank der Organisation und umfangreichen mailings von und mit Winfried Hofmann-Jarczyk und seiner Funktion als spiritus rector des Treffens war es am 6. November um 14.30 Uhr im Foyer des Gymnasiums endlich soweit:
Das Ersteigen der Stufen, die man so oft bangen und auch freudigen Herzens erklommen hatte, das Öffnen der Tür, durch die man manchmal gerast war, um einem Eintrag ins Klassenbuch zu entgehen, und:
wir sahen uns, und wir erkannten uns!
Ist das nicht seltsam? Es bedurfte keines Namensschildchens (ich hatte im Ernst mal daran gedacht), nein, ein Blick in die Augen genügte, das Hören der Stimme des Gegenübers reichten aus, um ihn oder sie zu identifizieren.
Die flachen und verblassten Bilder, die man, eingeprägt in den Tiefen des Gedächtnisses, ein halbes Menschenleben mit sich herumgetragen hatte, wurden ganz plötzlich wieder mit Leben und Farbe erfüllt. Es war – wie das Korrekturwerkzeug eines Bildbearbeitungs-Programmes: Tonwertabgleich, Hell-Dunkel-Korrektur, Bildschärfung etc. Daß der Graufaktor oder Pixel-(pardon:Haar-Verlust bei den männlichen Mitschülern stärker ausgeprägt war, als bei den Frauen… naja, Schwamm drüber.
Die von Frau Winter-Stein mit Bildern der Schulzeit von 1963 bis 1970 bestückten Stellwände fanden große Resonanz bei den Versammelten. Fotos vom Aufenthalt auf der Wegscheide 1963, Klassenfahrten nach Lorch und Wertheim, Studienfahrt nach Rom 1968, und aus der „wilden“ Zeit von 1968 bis 1970 wurden präsentiert. Auch die Kopien des Aufrufes der „Rote Garde Gagern“ zum Streik fanden ihren Platz zwischen den Bildern. Der gezeigte Mix ließ erkennen, daß die Schule mittlerweile ungezwungen mit diesen „unruhigen Jahren“ umzugehen in der Lage ist.
Die „Gräben der Vergangenheit“ scheinen überwunden zu sein, wie es auch der Schulleiter, Herr Mausbach, in seiner Begrüßungsrede in der altehrwürdigen Aula anklingen ließ. Herrn Mausbach darf man ruhig als Zeitzeugen jener Jahre akzeptieren, war er doch Schüler einer Klasse unter uns.
Da saßen wir nun, und lauschten – mehr oder weniger ergriffen – den Worten des Schulleiters, der den Stellenwert des humanistischen Gymnasium und des HVGG in der jetzigen Zeit zu skizzieren versuchte. Anschließend stellte Herr Kaiser den Verein der Ehemaligen vor und bemühte sich durch Verteilen von Broschüren und Jahresberichten die Versammelten für eine Mitgliedschaft in seinem Verein zu gewinnen.
Ich selbst versuchte mich währenddessen wieder in die Atmosphäre dieses Raumes hineinzuspüren, was mir leider nur marginal gelang. Das lag sicher an der Veranstaltung als solcher, als auch an der angesammelten Projektions- und Bühnentechnik. Ich zitiere deshalb aus einer mail Waltrauds über ihre Empfindungen in dieser Aula:
„Als ich am Samstag die Aula betrat, kam als erstes inneres Bild (ich suchte geradezu danach) die Ausstattung dieses Raumes mit Einzeltischen und die Erinnerung daran, dass wir in den letzten Jahren unserer Schulzeit dort unsere Prüfungen schreiben mussten. Und dass ich damals die Wandgemälde anstarrte, um meine Wut über "gemeine" und vertrackte Aufgabenstellungen, mein Nichtwissen und den daraus resultierenden Stress zu neutralisieren. Die Bilder hatten etwas Beruhigendes und Erhabenes, Tröstliches. Was das Ganze nicht wirklich besser machte.“
Ob wir uns 1970 nun selbst um die Abiturientenfeier („spießig“) gebracht hatten, oder ob die damalige Schulleitung froh war, diesen Jahrgang so schnell wie möglich von hinten zu sehen, darüber sind sich die Erinnerer uneins. Es wird wohl eine Mischung aus beidem gewesen sein. Und deshalb durften wir nun – als „Ausgleich“ gewissermaßen – aus der Hand des Schulleiters die Urkunden für das 40-jährige Abitur-Jubiläum in Empfang nehmen.
Und dann gab es endlich etwas zu trinken!
Was es nicht gab, und das möchte ich nicht unter den Tisch fallen lassen, war eine Führung durch die Schule. Gerne hätte ich (und nicht nur ich) mal einen Blick in „meinen“ Klassenraum, die neue Bibliothek, die Physik mit Röntgengerät, und die Turnhalle geworfen. Vielleicht zum 50-jährigen…?
Nach der Aula-Veranstaltung gingen wir zum gemütlichen Teil über mit Couch, Keksen, und Kerzen im nahegelegenen Cafe Müller.
Auch hierzu ein mail-Zitat eines Mitschülers (Kleinschreibung erwünscht):
„umso besser als wir dann im cafe waren- das hat richtig gutgetan. trotz spotlight-effekt - da hab ich eine neue verbundenheit gespürt. doch schade, dass sich das nur punktuell wird vertiefen können.“
Da Kerzen und Kekse auch „68ern“ nicht immer genügen, standen anschließend gut 20 Menschen vor dem Problem, Samstagabend ohne Tischreservierung gemeinsam einen Platz in einem Restaurant zu finden. Unmöglich? Mitnichten!
Nicht, wenn man wie Rolf eine Chinesin zur Frau hat, die dem Personal des Restaurants Shangrila in dessen Muttersprache unmißverständlich klar machte (was sie sagte, bleibt ihr Geheimnis), daß unsere Truppe hungrig sei, und unbedingt etwas zum Beißen brauche.
So oder ähnlich musste Xue das wohl ausgedrückt haben, denn so bekamen alle 20 alumni nach kurzer Wartezeit einen Sitzplatz an 2 Tischen und ließen es sich zum Abschluß dieses denkwürdigen Tages mit Baozi, Jaozi und Kuaizi sehr gut gehen!
Bei allen unterschiedlichen Lebenslinien und Sicht der Dinge war man sich einig, nicht noch einmal 40 Jahre bis zum nächsten Treffen verstreichen zu lassen...!
PS: Nicht unerwähnt bleiben sollen die ganz Unentwegten, die gegen 22.00 Uhr in Richtung Johnny Klinkes Tigerpalast aufbrachen und dort, so hörte man, bis in den Morgen in Variete-Luft weitere alte Geschichten genossen haben.
Rainer Gunkel, OIc 1970