Dichtung und Wahrheit. - Ist unsere Wahrheit nur erdichtet, oder besitzt unsere Dichtung einen hohen Wahrheitsgehalt? Ja, was ist Dichtung denn überhaupt? Göttliche Eingebung? Ein Musenanruf oder doch nur ein paar Worte?
Nun. Pragmatisch gesehen besteht Dichtung aus Worten. Kleine, große, lange, kurze, ausdrucksstarke, mannigfaltige Worte gesellen sich auf einer zufälligen oder bedachten Art und Weise zueinander und bilden ein Gedicht – ein Unikat, das in seiner einzigartigen Wortkombination nur einmal existent ist.
Aber da Worte bekannterweise als leblos gelten, brauchen sie einen Schöpfer. Jemanden, der geübt ist, sie auszutauschen, zu kombinieren, oder auch einfach nur stehen zu lassen. Jemanden, der ihre Kraft und Magie versteht. Jemanden, der sie liebkost und mit ihnen spielt.
Dieser „jemand“ nennt sich dann Dichter.
Er spielt nicht mit Farben, Rhythmen oder Klängen. Er setzt sich mit der sonderbaren Gestalt von Worten auseinander – eine wahre Herausforderung!
Denn ein noch so kleines, unscheinbares Wort hat viele Gesichter und ihm folglich im passenden Moment die passende Fassade zu entlocken, ist wahrlich eine Kunst für sich und zeichnet einen vielgewandten Dichter aus.
Nun gut. Dichtung ist also das geschickte, virtuose Spielen mit Worten.
Doch... Wie erlangt ein Dichter überhaupt eine Idee, die er mit Worten ausdrücken darf, um seine Leser zum Lachen zu bringen, zu Tränen zu rühren, oder nachdenklich zu stimmen? Wo ist seine Inspirationsquelle? Was ist seine Inspirationsquelle? Bei Homer und Vergil waren es die Musen.
Aber hat denn wirklich jeder Dichter eine Muse, welche ihm stets mit ihrer gottgleichen Gestalt Gesellschaft leistet und zart auf ihrer Lyra zupft, um ihr mystische Klänge zu entlocken und den Dichter zu großartigen Ideen zu verhelfen?
Ich weiß es – ehrlich gesagt – nicht.
Der Dichter und Stadtschreiber von Bergen-Enkheim, Thomas Rosenlöcher, scheint zumindest eine realistischere, ja wenn man so will, konventionelle Inspirationsquelle gefunden zu haben: seine Augen!
Diese Woche wurden wir selbst Zeugen der großartigen Ideen, zu denen ihm seine Augen oftmals verhelfen.
Thomas Rosenlöcher ist Dichter. Doch er erdichtet sich nicht eine unerreichbare Welt. Er dichtet die Wahrheit, die er mit seinen Augen wahrnimmt. Er besingt keine Taten von weit geirrten Helden, er besingt die Kunst und Gewandtheit von einfachen Dingen, die uns umgeben. Da wäre zum Beispiel eine Zahnbürste, unsere treue Gefährtin, welche doch wohl ebenso einen epideiktischen Gesang verdient, wie irgendwelche Heldenschlachten bei Troja.
Thomas Rosenlöcher ist Dichter. Aber nicht wie andere Dichter, denn seine Gedichte werden nicht von der Monotonie einer Emotion geprägt. Es scheint bei ihm kein Gedicht zu geben, das nur traurig, nur lustig, oder nur kryptisch klingt. Viel mehr trifft der Leser eine Symbiose von Witz und Ernst an, die Rosenlöchers Gedichte durchaus lesenswert machen.
...Und auch in seinem Tagebuch, das größtenteils von seinem Leben im Osten und seiner Erkundungsreise in den Westen – als Deutschland noch geteilt war – handelt, erzählt nicht die Geschichte eines verletzten, sentimentalen oder erfreuten Mannes. Es erzählt wohl die Geschichte eines Mannes, der mit offenen Augen durchs Leben schreitet und deswegen die Buntheit und Vielseitigkeit der Welt wahrnimmt, die ihn mal nachdenklich, mal trist, mal vorfreudig stimmt.
Warum beherrscht Thomas Rosenlöcher diese schwierige Kunst des Dichtens?
Vielleicht, weil er für sich schreibt. Weil er sich nicht den Kopf darüber zerbricht, welches utopische Epos er noch niederschreiben könnte, das die Welt noch nicht erblickt hat. Weil er nur das, was ihn bewegt aufs Papier bringt, um sich auch in Zukunft daran zu erinnern und zu erfreuen... Vielleicht!
Aber das ist eine andere Frage, die er Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wohl selbst am besten beantworten kann.
Ich kann Ihnen für den Moment nur Folgendes mitgeben: Thomas Rosenlöcher ist Dichter. Aber er ist nicht wie andere Dichter. Er ist ein wunderbarer Dichter, weil er beweist, dass Dichtung viel mehr ist, als eine ausgedachte, in ein Versmaß gequetschte, Geschichte und weil er zeigt, dass Dichtung nicht nur das zufällige, oder bedachte Spielen mit Worten ist.
Doch, was ist Dichtung denn dann?
Dichtung wartet auf uns. Sie ist überall. Sie lauert in der Schönheit eines gottgleichen Geschöpfes ebenso, wie in der Reinheit einer Klopapierrolle.
Dichtung ist da. Sie wartet nur darauf, dass wir sie entdecken, verstehen und niederschreiben.
Dichtung ist Wahrheit!