Yaffe und David Nebenzahl aus Israel sowie Alice Candaras aus den USA nehmen in diesem Jahr am Projekt "Jüdisches Leben in Frankfurt" teil. Dazu haben sie die Einladung der Stadt Frankfurt/M. angenommen und in diesem Zusammenhang auch den Ort aufgesucht, an dem die ehemalige Samson–Raphael-Hirsch-Schule stand, wo sich heute der Neubau unserer Schule befindet.
Frau Candaras, die in New Jersey nahe New York lebt, hat zusammen mit den beiden anderen Gästen am Lehrertisch Platz genommen und erzählt den Schülerinnen und Schülern der Geschichtskurse der Q2 und der 8c von Frau Ochs und Frau Hofmann, wie ihre Mutter mit 12 Jahren durch einen Kindertransport nach England gerettet werden konnte.
Frau Candaras Mutter, Annelise Lina Morgenthau, besuchte die Samson–Raphael-Hirsch-Schule und lebte mit ihren Eltern Stefanie und Arthur Morgenthau in Frankfurt, die Großeltern stammten aus Wiesbaden.
Nach dem Novemberpogrom 1938 unternahmen Annelises Eltern alles, um ihre Tochter in Sicherheit zu bringen; sich selbst konnten sie nicht mehr retten: Bis heute ist über den genauen Verbleib von Frau Candaras Großeltern nur bekannt, dass sie „in den Osten evakuiert“ wurden, was darauf hindeutet, dass sie in einem der Konzentrationslager umgebracht wurden. Ihre Urgroßeltern Sophie und Simon Morgenthau starben 1942 in Theresienstadt, vor ihrem ehemaligen Wohnhaus wurden vor einiger Zeit Stolpersteine verlegt.
Die Erlebnisse des Ehepaars Nebenzahl sind ganz anderer Art: Davids Eltern emigrierten rechtzeitig im Januar 1933 mit den Maschinen ihrer Textilfabrik, die sich in der Zeilstraße befand. Seine Eltern hatten bis zu diesem Zeitpunkt gut in Frankfurt gelebt, hatten die Veränderungen innerhalb der Politik jedoch mit Besorgnis beobachtet und sich zur Auswanderung entschlossen.
In Israel wagten sie den schwierigen Neuanfang, wo David 1939 geboren wurde. Seine Eltern haben zeitlebens nicht mehr über ihre Jahre in Frankfurt gesprochen.
Die Familie seiner Frau Yaffe stammt aus Polen, deren Familie nach dem Krieg einige Zeit im „Displaced People“ Camp bei Wetzlar lebte, wo Yaffe 1949 geboren wurde. Über Umwege und mit gefälschten Pässen kam ihre Familie später nach Israel, wo sie bis heute lebt.
Im Namen der Schulleitung begrüßt Oberstufenleiter Dr. Hermann Henne die Gäste. Anschließend sitzen alle bei einem koscheren Imbiss noch eine Weile im Lehrerzimmer des Altbaus zusammen. Es folgen weitere anregende Diskussionen, bevor die Besucher aufbrechen, um das Museum Judengasse und weitere geschichtsträchtige Orte innerhalb und um Frankfurt zu besuchen.
Hinweis: Am 24. Juni wird in London der 75. Jahrestag der Kindertransporte unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles begangen. Im Jahre 2008 wurde in Berlin ein Denkmal errichtet, das an die Rettung von ca. 10.000 jüdischen Kindern zwischen 3 und 17 Jahren erinnern soll.