Wunderbaren Sonnenschein, Meer und Strand, wer braucht das, wenn er stattdessen Belgien im November haben kann?
Bei nasskaltem Wetter, inklusive leichtem aber steten Nieselregen über die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs zu wandern, hört sich das für Sie ebenso traumhaft an, wie für mich?
Natürlich, tut es das!
Wir fahren ja nicht des Wetters wegen nach Gent, Ypern oder Lüttich.
Sondern um uns der Geschichten bewusst zu werden, die an diesen historischen Orten stattgefunden haben, der Leben, die an diesen Orten eine Wendung erhielten oder ihr Ende fanden.
Gut, zugegebenermaßen wäre Belgien auch nicht mein erster Vorschlag für eine Exkursion gewesen. Es ist nun einmal, besonders im November, eklig und kalt, noch dazu ist es, was Speis und Trank angeht, auch ausgesprochen teuer.
Gegen solche Zweifel half der abendliche Spaziergang durch Gent auf dem Weg zum Abendessen. Denn Gent besitzt eine zauberhafte Altstadt, die ähnlich wie Amsterdam von Grachten durchzogen ist.
Letztendlich war es jedoch der Besuch des Irish Pub, in welchem wir belgische Spezialitäten genießen konnten, der uns vollends von der Richtigkeit unserer Wahl überzeugte.
Am nächsten Morgen machten wir uns nach einem guten, aber dem ein oder anderen doch zu frühen Frühstück auf den Weg nach Ypern.
Ypern lag im Ersten Weltkrieg direkt an der Westfront des Deutschen Reiches.
Dementsprechend wurde es zerstört, allerdings flossen große Teile der Reparationszahlungen nach dem Krieg nach Ypern, wo die Altstadt sowohl originalgetreu, als auch frei im historischen Stil wieder aufgebaut wurde.
Die Altstadt von Ypern ist deswegen auf jeden Fall einen Besuch wert. Besonders berühmt sind die Tuchhallen „Lakenhal“, in denen sich das Museum „In Flanders Fields“ befindet.
Bei In Flanders Fields handelt es sich um ein interaktives Museum, das sich mit den Geschehnissen des Ersten Weltkriegs beschäftigt, dabei bezieht es auch die Nationalität der Besucher ein und sucht Geschichten von Personen heraus, die am ehesten zur Herkunft des Gastes passen.
Besonders die Begebenheiten des Weihnachtsfests 1914 hinterließen einen berührenden Eindruck.
Nach Besuch des Museums konnten wir den Wochenmarkt in Ypern genießen. Erschwert wurde das jedoch von hohen Preisen und schlechtem Essen, was unsere gute Laune aber auch nicht schmälern konnte.
Genauso wenig wie der kalte Wind, der uns am „Menenport“, dem Gedenktor, entgegenblies. Das Tor zeigte in eindrucksvoller Schlichtheit und Monumentalität alle britischen Soldaten, die in den ersten drei Flandernschlachten ihr Leben ließen. Leider konnten wir den „Last Post“, ein militärisches Hornsignal der britischen und US-amerikanischen Armee, das seit 1928 jeden Abend von den Trompetern der städtischen Feuerwehr gespielt wird, nicht hören, da für uns noch ein Besuch der Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs anstand.
Eine Wanderung über „Hill 60“ zeigte uns die unendliche Zerstörungswut der Kriegsmaschinerie. Mehr als 50.000 kg Sprengstoff sprengten die zwei Hügel „Hill 60“ und „Caterpillar“, sodass die Bezeichnung „Hill“ eigentlich überflüssig wurde.
Die Wanderung zog sich jedoch länger als erwartet, dafür blieb das Wetter zum Glück genauso kalt und regnerisch wie wir uns das ausgemalt hatten. So konnten wir uns zumindest auf eine Sache verlassen. Nach überstandener Wanderung fuhren wir zurück nach Gent, wo diesmal jeder für sich ein Essen zu sich nehmen konnte.
Das wurde natürlich dadurch erschwert, dass das Angebot von erschwinglichen Essensmöglichkeiten begrenzt zu sein schien. Deshalb machte sich meine Gruppe auf den Weg zu „unserem“ Irish Pub, das leider komplett überlaufen war. Zum Glück empfahl uns unsere Kellnerin vom Vorabend ein australisches Restaurant, indem wir dann glücklicherweise einen Platz fanden und ein sehr gutes Essen genießen konnten.
Nach einer viel zu kurzen Nacht fuhren wir mit gepackten Koffern zuerst in das belgische Fort, Loncin, aus dem Ersten Weltkrieg.
Dort erzählte uns ein begeisterter belgischer Patriot in perfektem Deutsch und mit stolzgeschwellter Brust davon, wie Belgien zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Lüttich das deutsche Heer, unter größten Verlusten, zwölf Tage lang aufhielt und so das Nachrücken des britischen Expeditionskorps ermöglichte.
Trotz des offensichtlichen Schmerzes unseres Führers über die erfahrenen Verluste räumt er den deutschen Soldaten eine große „Ritterlichkeit“ ein, was ironisch anmutet, wenn man sich die Berichte über deutsche Kriegsverbrechen in Lüttich anschaut.
Das Fort von Loncin verdeutlichte, genauso wie das Museum „In Flanders Fields“, auf sehr eindrucksvolle Art und Weise die Schrecken eines solchen Stellungskrieges.
Danach ging es für uns noch in die Innenstadt von Lüttich, die entgegen unseren Erfahrungen mit belgischen Städten durchaus bezahlbares Essen bereithielt. Nachdem der Döner Marlins Berichten zufolge in Ypern ungenießbar war, überzeugte uns der in Lüttich, zumindest in der Ausführung mit scharfer Sauce, sehr.
Das tröstete mich auch über die Tatsache hinweg, dass sich nach meiner fachmännischen Bestellung in bestem (naja vielleicht nicht bestem, aber gutem oder vielleicht auch weniger gutem) Schulfranzösisch herausstellte, dass die Kellnerin durchaus gutes Deutsch sprach.
Gut genährt machten wir uns auf den Weg zurück nach Deutschland, wo es, kaum passierten wir die Grenze, plötzlich 10°C wärmer war als in Belgien.
Um etwa 20:30 Uhr erreichten wir den Zoo, an dem sich unsere Wege trennten.
Diesen Ort möchte ich nutzen, um Herrn Raab für die hervorragende Organisation, sowie den andern Lehrern, Frau Kerfin, Herrn Stark und Herrn Kühnlein, für einen großen Teil ihrer Freizeit zu danken!
Mein Dank gilt außerdem Andreas Guhl, der uns sicher über deutsche und belgische Autobahnen chauffierte!